Warm Audio WA-47jr Test: Entfernter Verwandter im Namen (2024)

Warm Audio WA-47jr Test
Entfernter Verwandter im Namen

Von Marius Schweitzer

Reminiszenz zum Discounterpreis im Warm Audio WA-47jr Test: Die Kapsel dieses Großmembran-Kondensatormikrofons ist der k47 aus dem Neumann U47(fet) nachempfunden. Eins sollte vorneweg angemerkt werden: Es klingt nicht wie das Original. Aber das ist ja nur eine Seite der Medaille. Das Mikrofon steht auch für sich - was dich hier bautechnisch, funktional und natürlich klanglich erwartet, verrät dieses Review in allen Details aus der Praxis.

Was das Warm Audio WA-47jr im Review zustandebrachte, erfährst Du hier in allen relevanten Details - dieses Mikrofon eifert einem berühmt-berüchtigten Vorbild nach und muss dementsprechend große Fußstapfen ausfüllen

Was ist es?

Das Warm Audio WA-47jr ist ein Großmembran-Kondensatormikrofon, das für professionelle Tonstudios, das Homestudio, Live- und Rundfunk-Anwendungen geeignet sein möchte. Es eifert dem Klassiker Neumann U47 FET nach, dessen Röhrenversion bei vielen eingefleischten Mikrofonliebhabern als der heilige Gral für Vocals zählt.

Im besten Fall eignet sich unser Proband also für die Aufnahme von Sprache und Gesang, aber auch für akustische und elektrische Gitarren, E- und Kontrabass, Drums, Piano sowie Streich-, Blech- und Holzblasinstrumente.

Drei Richtcharakteristika sind wählbar: Kugel, Niere und Acht – das eignet sich für die unterschiedlichsten Arten von Schallquellen und Aufnahmeszenarien (z.B. Niere für Solo-Vocals und Acht für Duette). Die zwei übrigen Schalter sind für Pad und Hochpassfilter.

Soweit zu recherchieren war, handelt es sich um ein verändertes bzw. verbessertes 3U Audio Warbler MKII aus Australien (die wohl auch die Kapsel entworfen haben). Dieses ist zum selben Preis auf ebay erhältlich.

Alles zum großen Bruder im Warm Audio WA-47 Test »

Warm Audio WA-47jr: Features

  • Großmembran-Kondensatormikrofon
  • Klangbild eifert dem Neumann U 47 nach
  • Richtcharakteristika Kugel, Niere, Acht am Mikrofon wählbar
  • Hochpassfilter und Vordämpfung schaltbar
  • Spinne, Stativhalterung und Tasche mitgeliefert

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Warm Audio WA-47jr Testbericht

Erster Eindruck

Typisch für den Hersteller präsentiert sich hier wieder ein Klon bekannter Hardware, das auf deren Hype und Marketing aufbaut. So wird hier nicht nur im Namen Warm Audio WA-47jr ein Mikrofon vorgestellt – auch auf der Webseite wird wenig subtil auf die Verwandtschaft mit dem Neumann U47 hingewiesen. Und so muss es sich auch mit diesem messen lassen.

Das Neumann U47 und U47 FET

Das klassische U47 war das erste Mikrofon, das der deutsche Hersteller nach dem zweiten Weltkrieg auf den Markt brachte. Ursprünglich kam das Röhrenmikrofon mit einer M7-Kapsel, die 1960 von der k47-Kapsel abgelöst wurde. Letztgenannte war weniger anfällig für Probleme beim Altern. Heute klingen vermutlich keine zwei originalen U47 mit M7-Kapsel mehr gleich.

In den 1950er und 1960er war das U47 Röhrenmikrofon wohl eines der beliebtesten und meist eingesetzten Mikrofone. Das 1970 eingeführte Neumann U47 FET baute auf Transistortechnologie auf und wird heute wieder angeboten. Das hier getestete Mikrofon ist diesem nachempfunden.

Wer das Mikrofon im Original hören möchte, kann sich Platten von Frank Sinatra, Beatles, Nat King Cole oder das meiste von The Doors anhören.

Verarbeitung

Bei der Verarbeitung es nichts zu beanstanden zum geforderten Preis, in der Preisklasse gibt es allerdings besser verarbeitete Modelle. Ich habe festere Drahtgeflechte bei Mikrofonen gesehen, aber sei’s drum. Mit einem Gewicht von 500 Gramm liegt man im Mittelfeld für Großmembran-Kondensatormikrofone mit ausgewachsenem Korpus – ein stabiles Stativ aus renommiertem Hause wird das Warm Audio WA-47jr sicher im Griff haben.

Qualität des Zubehörs

Die Spinne im Neumann-Stil ist stabil und sauber gefertigt, wobei sich die Feststellschraube am Gelenk sehr gut greifen und arretieren bzw. lösen lässt. Zwei Ersatzschnüre werden mitgeliefert, so dass für den Notfall oder die Abnutzung nach Jahren des intensiven Betriebs vorgesorgt ist. Die Mikrofonspinne dämpft Trittschall erwartungsgemäß zuverlässig.

Last, but not least: Die statische Stativhalterung kommt ebenfalls in guter Qualität daher, allerdings könnte die Flügelschraube zur Arretierung weniger scharfkantig sein.

Die Kapsel des
Warm Audio WA-47jr

Die Kapsel des Warm Audio WA-47jr

Die Replika der k47-Kapsel von Neumann ist laut Hersteller originalgetreu, was bauliche Details und den Frequenzgang betrifft. Allerdings ist die Kapsel nur ein Teil des Mikrofons und erst die komplette Schaltung ergibt den finalen Frequenzgang. Ich bin gespannt.

In Kombination mit dem niedrigen Grundrauschen (siehe unten) und der diskreten Schaltung kann die Kapsel ihr Potential sehr gut ausspielen. Die gleiche Kapsel wird übrigens im oben erwähnten Röhrenmikrofon Warm Audio WA-47 [Test] (das Modell ohne »jr«) verwendet.

Weitere Komponenten

Was das Marketing angeht, versteht der Hersteller sein Handwerk. Es gibt eine Menge Namedropping: Feldeffekt-Transistoren (FET) von Toshiba sowie Kondensatoren von Wima und Panasonic kommen zum Einsatz.

Die Schaltung ist moderner und simpler aufgebaut als beim großen Vorbild. Also entfernt man sich hier wieder etwas vom Original.

Ausstattung

Richtcharakteristik

Mit einem kleinen 3-Wege-Schalter direkt am »Hals« zwischen dem Mikrofonkorb und dem Korpus kannst Du die Richtcharakteristik umschalten. Das Original ist übrigens nur mit der Nierencharakteristik zu haben. Neben dieser kann die Membran des Klons zusätzlich in einer Kugel- und einer Achtercharakteristik polarisiert werden.

Der Vorteil liegt in der Flexibilität im Studio. Allerdings bin ich gespannt, welche Kompromisse sie für diese Flexibilität in Sachen Klang und Frequenzgang machen mussten. Zwischen den Richtcharakteristika gibt es Unterschiede im Frequenzgang (siehe unten).

Pad / Dämpfung

10 Dezibel lassen sich vom Eingangssignal subtrahieren. Diese Pegelvorabschwächung bietet sich bei extrem lauten Klängen an. Mit aktiviertem Pad-Schalter liegt der maximale Schalldruck bei außerordentlich hohen 157 dB. Und dann wird eine THD von 0,5% erzeugt. In der Praxis: Du kannst das Warm Audio WA-47jr locker zur Abnahme von Kick-Drums und Blasinstrumenten nutzen, Gitarrenverstärkern bringen es erst recht nicht ins Schwitzen.

Hochpassfilter

Komplettiert wird die Ausstattung von einem schaltbaren Hochpassfilter. Seine Grenzfrequenz liegt bei 70 Hertz – das ist recht niedrig, beschneidet also nicht die Hochbässe, sondern nur das tiefste Rumpeln (Trittschall) oder die für einen Mix oft unvorteilhaften extremen Tieftonanteile von Stimmen oder Instrumenten.

Klang des Warm Audio WA-47jr

Sprache | weiblich

Sprache | männlich

Shaker

Wie oben erwähnt, es ist kein U47 FET – wer danach sucht, muss wohl entsprechend tiefer in den Geldbeutel greifen. Die Abstimmung ist für den Preis gelungen, das geringe Eigenrauschen ist sicherlich von Vorteil.

Grundrauschen

Der vom Hersteller angegebene Wert von 9 dB(A) ist glaubhaft, kein Rauschen in den Sprechpausen zu vernehmen. Sehr schön.

Frequenzgang

Der Frequenzgang ist in der Nierencharakteristik am neutralsten, bei der Kugel gibt es einen deutlichen Höhen-Boost bei etwa 12 kHz und in der Achtercharakteristik dominieren die Mitten bei etwa 4-5 kHz.

Mir gefällt die Niere am besten für Vocals. Sie klingt am ausgeglichensten von den vorhandenen Abstimmungen für die aufgenommenen Stimmen. Dabei ist eine überbetonte Wärme zu hören, wobei diese sich in großer Intimität niederschlägt.

Warm Audio WA-47jr Test: Entfernter Verwandter im Namen (4)

So flach, wie das Warm Audio WA-47jr hier daliegt, ist der Frequenzgang freilich nicht

Eine nennenswerte Präsenzbetonung ist hier nicht zu spüren, stattdessen sind die Bässe überbetont. Beim Original gibt es eine Anhebung ab 2 kHz, die für mehr Präsenz und Sprachverständlichkeit sorgt. Bei diesem Modell klingt die Stimme nicht so detailliert wie bei anderen Mikrofonen der Preisklasse. Die Stimmte setzt sich zudem nicht auf Anhieb in einem Mix durch, hier muss der Equalizer ran.

Gleichzeitig ist eine dezente Akzentuierung auf den Mitten bei etwa 4 kHz und den Höhen bei ca. 12 kHz spürbar.

Nahbesprechungseffekt

Bei allen Richtcharakteristika außer der Kugel kommt es zum sogenannten Nahbesprechungseffekt – je näher die Schallquelle zum Mikrofon steht, desto basskräftiger klingt sie in der Aufnahme. Dieser Effekt lässt sich beim Warm Audio WA-47jr gut dosieren – wenn man auf Abstand bleibt.

Die graduelle Bassanhebung verläuft relativ fließend. Die Stimme wird zwar nicht übermäßig dumpf oder dröhnend, aber sie kommt nicht wirklich ausgewogen daher bei zu naher Besprechung.

Fern- und Nahbesprechung mit kompensierten Pegelunterschieden:

Off-Axis-Verhalten

Ebenfalls nur bei der Nieren- und Achtercharakteristik tritt dieses Phänomen auf: Bestimmte Bereiche des Frequenzspektrums werden überproportional schwächer als andere, wenn der Winkel beim Abweichen von der optimalen Einsprechrichtung zu groß wird. Die Klangfarbe verändert sich, der Sound wird indirekter (am auffälligsten ist der Höhenverlust).

Das ist prinzipiell ganz natürlich – als Qualitätsmerkmal kann nur gelten, wie groß dein Bewegungsspielraum für optimalen Sound bzw. vernachlässigbare Klangverfärbungen ist. Bis ±20° definitiv, vielleicht sogar bis knapp ±30° kannst Du dich bewegen.

Impulsverhalten

Letzter Halt: Die Mikrodynamik. Technischer gesprochen ist die Impulstreue gemeint, also wie gut das Mikrofon sehr kurze, im Pegel abrupt an- und abschwellende Klangereignisse einfängt.

Das Warm Audio WA-47jr gehört vielleicht nicht zu den besten in seiner Preiskategorie, schlägt sich aber recht ordentlich in dieser Disziplin.

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Fazit zum Warm Audio WA-47jr Test

Es ist nicht fair, das Warm Audio WA-47jr mit einem zehnfach teureren Mikrofon zu vergleichen. Doch auf der Herstellerseite wird das Mikrofon als übertragerlose Version desselben feilgeboten – dann müssen wir das berücksichtigen. Und das Ergebnis ist, dass es nicht wie das Original klingt. Aber: Das muss es nicht – für sich alleine genommen ist es ein überdurchschnittliches Mikrofon zum Preis.

Der Lieferumfang ist reichhaltig und die Ausstattung ist gut für einen Allrounder. Du hast die Wahl aus Nieren-, Achter- oder Kugelcharakteristik. Der Sound ist vollmundig und warm, der Bass ist mir in einigen Situationen zu mächtig und muss durch den Equalizer beschnitten werden.

In der Nierencharakteristik gibt es recht dezente, punktuelle Anhebungen in den Mitten und Höhen, was ich prinzipiell gutheiße. Allerdings hätte ich mir eine Sprachverständlichkeit und Impulstreue gewünscht, die den anderen Vorteilen dieses Mikrofons gerecht geworden wäre. So zum Beispiel die Off-Axis-Besprechung, die gutmütig bis zu einer Abweichung um etwa ±25° bleibt.

Das Grundrauschen ist mit 9 dB(A) verschwindend gering und der maximale Schalldruck ist mit 157 dB SPL (0,5 % THD) derart hoch, dass auch die lautesten Instrumente ohne nennenswerte Verzerrungen eingefangen werden. Das ist auf Top-Niveau.

Dazu kommt der Lieferumfang mit einer Mikrofonspinne nebst Ersatzschnüren, einem normalen Stativadapter und einer kleinen Tasche.

Der Klang ist am Ende nur eine Frage des Geschmacks und bei diesem Mikrofon für mich der Knackpunkt. In Sachen Wertung habe ich lange mit mir gerungen wegen des Vergleichs mit dem U47 FET – am Ende gibt es von meiner Seite aus überdurchschnittliche dreieinhalb von fünf möglichen Punkten im Warm Audio WA-47jr Test, mit einer Tendenz zu vier Punkten.

Warm Audio WA-47jr Test: Entfernter Verwandter im Namen (5)

Warm Audio WA-47jr Test: Entfernter Verwandter im Namen (2024)

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